Revolutionierung der Gesundheitsbranche: Ein Blick in die digitale Zukunft
- 06. September 2023 -Erkenntnisse aus einem Interview mit René Martin, Gesundheitsökonom und Digitalstratege bei LANCOM.
In einer Zeit rasch voranschreitender Technologie erlebt die Gesundheitsbranche eine monumentale Veränderung. Vor Kurzem haben wir uns deshalb mit René Martin, dem Healthcare-Experten bei LANCOM zusammengesetzt und spannende Einblicke erhalten. Denn, wenn René Martin für die fortschreitende sichere Digitalisierung im Gesundheitssektor plädiert, weiß er wovon er spricht: Der studierte Gesundheitsökonom und Innovationsmanager bewegt sich seit mehr als 20 Jahren in der Healthcare-Branche und kennt sich bestens mit dem Management von Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen aus. In diesem aufschlussreichen Interview tauchten wir in die Herausforderungen, Chancen und zukünftigen Trends im Zusammenhang mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen ein.
Nimm uns einmal mit: Wie war der Digitalisierungs-Stand bislang im Gesundheitssektor?
René: Die Integration digitaler Lösungen im Gesundheitswesen stellt nach wie vor eine bedeutende Herausforderung dar. Dies resultiert aus dem begrenzten IT-Know-how der Gesundheitsdienstleister, angefangen von Pflegefachkräften über Ärzte bis hin zur Verwaltung. Zusätzlich besteht eine gewisse Zurückhaltung aufgrund der Unsicherheit im Umgang mit Datenschutzfragen, da die Verantwortlichen befürchten, Fehler zu machen, die rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnten. Infolgedessen bleibt die Digitalisierung eine erhebliche Hürde, da die angemessene Handhabung von sensiblen Daten oft noch nicht ausreichend etabliert ist. Diese Bedenken führen dazu, dass Abwehrmechanismen aktiviert werden und somit die volle Entfaltung des Potenzials der Digitalisierung in unserem Sektor bisher ausbleibt.Formularbeginn
Welche Bedeutung hat die verpflichtende Nutzung der Elektronischen Patientenakte durch die Patienten für die Gesundheitsdienstleister?
René: Die Tragweite ist klar: Falls ein Gesundheitsdienstleister die Integration der Telematik-Infrastruktur unter Verwendung der Elektronischen Patientenakte (EPA) ablehnt, wird er zukünftig nicht mehr in der Lage sein, eine angemessene Versorgung seiner Patienten zu gewährleisten. Die EPA bildet letztlich die essentielle Grundlage für den Zugang zu personenbezogenen medizinischen Informationen. Ohne diesen Zugriff sind wichtige Daten wie Vorerkrankungen und Medikationsverläufe für den behandelnden Arzt nicht verfügbar. Infolgedessen wäre eine effektive medizinische Betreuung nicht realisierbar. Die verpflichtende Nutzung der EPA ist daher von fundamentaler Bedeutung, um die Kontinuität und Qualität der Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Kurz gesagt: ohne EPA keine adäquate Gesundheitsversorgung.
Welchen Stellenwert hat das neue Digitalgesetz für gesundheitsspezifische Einrichtungen?
René: Bisher waren die so genannten Sicherheitsrichtlinien, verankert im 5. Sozialgesetzbuch, die maßgebliche Grundlage. Dieser Ansatz legte den Fokus darauf, dass Gesundheitsdienstleister sich um ihre IT-Sicherheit in den Organisationen kümmern, sie überprüfen und einhalten sollten. Allerdings fehlten hierbei durchgreifende Sanktionen, wodurch IT-Sicherheit nicht immer die erforderliche Aufmerksamkeit erhielt.
Das neue Digitalgesetz verleiht der IT-Sicherheit einen eigenständigen Stellenwert im Gesundheitssektor. Dies bedeutet, dass das Gesetz einerseits die Förderung der digitalen Vernetzung und Wertschöpfung betont. Gleichzeitig müssen jedoch alle Organisationen, sei es in Praxen, Krankenhäusern oder Pflegeheimen, eine eigene IT-Sicherheitsstrategie entwickeln und umsetzen. Diese Strategie ist unerlässlich, um mögliche rechtliche Konsequenzen zu vermeiden, denn das neue Gesetz sieht Sanktionen vor, falls IT-Sicherheitsmaßnahmen nicht angemessen umgesetzt werden.
Insgesamt markiert das neue Digitalgesetz eine wichtige Entwicklung, die nicht nur die digitale Vernetzung vorantreibt, sondern auch sicherstellt, dass IT-Sicherheit eine zentrale Rolle spielt und Konsequenzen bei Nichteinhaltung klar definiert sind.
Welche spezifischen Herausforderungen stehen Praxisinhaber bei der Implementierung einer sicheren Vernetzung bevor?
René: Um eine effektive IT-Sicherheitsstrategie zu implementieren, ist fundiertes technisches Know-how unabdingbar. Dies führt dazu, dass Ärzte vermehrt auf Fachberatung und Unterstützung angewiesen sind, um die richtigen Schritte einzuleiten. In dieser Hinsicht stoßen sie auf einen äußerst vielfältigen Markt, der verschiedene Möglichkeiten bietet. Da wären zunächst die Sicherheitsberater der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die als Informationsquelle für IT-Sicherheit dienen. Ebenfalls stehen klassische Systemhäuser als langjährige Ansprechpartner zur Verfügung. Gleichzeitig integrieren Anbieter von Arztpraxis-Software das Thema IT-Sicherheit in ihr Angebot.
Die Fülle dieser Optionen erschwert jedoch die Auswahl einer passenden Sicherheitsinfrastruktur aufgrund der bereits bestehenden Unsicherheit im technischen Know-how. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, inmitten dieses breiten Angebots die richtige Wahl für die eigene Arztpraxis zu treffen. Hierbei kommt hinzu, dass unterschiedliche Geschäftsmodelle existieren, beispielsweise der Kauf oder die Miete einer Sicherheitsinfrastruktur. Diese Komplexität wird durch das Aufkommen von Geschäftsmodellen wie "Cybersecurity as a Service" noch verstärkt, bei denen wir als Lösungspartner agieren.
Zusammenfassend steht der Praxisinhaber vor der Aufgabe, im Zuge der Sicherheitsimplementierung in einer sicheren Vernetzung den passenden Weg in einem diversen Markt zu finden, während er zugleich die unterschiedlichen Geschäftsmodelle in Betracht zieht.
Schafft das ein Gesundheitsdienstleister überhaupt alles alleine?
René: Letztendlich obliegt es dem Gesundheitsdienstleister, die passende Infrastruktur auszuwählen. Dennoch steht ihm die Möglichkeit offen, auf Beratungsangebote zurückzugreifen – wie beispielsweise die Sicherheitsberater der KBV. Durch diese Unterstützung kann er sich die erforderlichen Informationen beschaffen, sei es über Anbieter wie LANCOM oder über die Experten der KBV. Diese Informationsquellen ermöglichen es ihm, eine fundierte Entscheidung zu treffen, die seinen individuellen Anforderungen gerecht wird.
Welche Trends machst Du für den Healthcare-Bereich für die Zukunft aus?
René: Als begeisterter Anhänger von Technologien im Gesundheitswesen, die Innovationen ermöglichen, erkenne ich einen wachsenden Trend in der Telemedizin durch virtuelle Vernetzung im Gesundheitssektor. Hierbei wird das Konzept der Telemedizin auf Basis digitaler Netzwerke immer stärker an Bedeutung gewinnen. Insbesondere in ländlichen Regionen, wo die physische Gesundheitsinfrastruktur begrenzt ist, entstehen virtuelle Angebote. Menschen haben die Möglichkeit, ärztlichen Rat einzuholen, Versorgung zu erhalten, Rezepte zu bekommen und sich sogar krankschreiben zu lassen – und das alles in einem digitalen Format.
Langfristig betrachtet, sehe ich, dass Ärzte vermehrt auf Spezialisierung setzen werden. Aufgrund aufkommender Technologien wie Blockchain und künstliche Intelligenz (KI) werden viele Prozesse automatisiert. Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz von KI in der Radiologie, wo automatisiert pathologische Muster in Röntgendaten erkannt werden können, ohne menschliches Eingreifen.
Ein weiterer zukünftiger Trend ist die Bildung von Clustern im Gesundheitswesen. Im Rahmen einer vernetzten digitalen Wertschöpfungskette werden regionale Cluster von Ärzten, Apotheken, Pflegeeinrichtungen und Therapeuten entstehen. Diese Cluster ermöglichen es, ihre Dienstleistungen virtuell anzubieten und zu transportieren – ähnlich einem Online-Shop. Die regionale Clusterbildung im virtuellen Raum eröffnet die Möglichkeit für Gesundheitsdienstleister, sich digital zu vernetzen und ihre Dienstleistungen untereinander auszutauschen.
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